Urban Marginality

Urban Marginality
Ausstellungen

Ausstellung

Galerie Edgar Frei
29.10. — 03.12.2011

1. Marginalie, von lat. margo = Rand / marginalis = zum Rand gehörig: Das bedeutete ursprünglich eine Randbemerkung zu einem Text; das konnte ein Kommentar oder eine Korrektur des Textes sein, konnte aber auch Hinweise enthalten, die über den Text hinaus verweisen. Kommentar, Korrektur, Verweis: Marginales ist also nicht einfach gleichzusetzen mit dem Bedeutungslosen.

Künstler

 ,Thomas Hauri
 ,Gian Paolo Minelli
 ,Niklaus Wenger
 ,Thomas Hauri
 ,Gian Paolo Minelli
 ,Niklaus Wenger
 ,Thomas Hauri
 ,Gian Paolo Minelli

2. Marginalisiert: Das heisst eben zum Rand gehörig, ja geradezu an den Rand gedrängt, vor allem in gesellschaftlichen Belangen. Wobei da stets das Zentrum, die Normalität, der Durchschnitt bestimmt, was der Rand ist.

3. Der Rand ist nicht das Ende, jenseits des Randes ist immer noch etwas. Das Marginale ist deswegen auch ein Übergang, wo es Neues zu entdecken gibt, das durch den Blick aufs Zentrum verstellt war.

4. Wenn die Ränder ins Zentrum rücken, verschieben sich Blick und Optik. Die Eindeutigkeiten gehen verloren.

Niklaus Wenger, Thomas Hauri

5. Die Ausstellung «Urban Marginality» gibt solchen Phänomenen Raum. Sie bezieht sich dezidiert auf Marginales in der Stadt, auf Übersehenes also, auf Dinge, die man nicht sehen will, weil sie an den Rand gedrängt wurden, oder die an den Rand gedrängt wurden, weil man sie nicht sehen wollte.

6. Ästhetisch ist die Ausstellung mit den drei Künstlern Gian Paolo Minelli, Thomas Hauri und Niklaus Wenger ein präzise gesetzte Marginalie zum Phänomen des Übergangs: Wie der verschobene Blick im Verdrängten Neues entdeckt, wie aus der Fläche Raum und wieder Fläche wird, wie Skulptur in Architektur übergeht. Obwohl die Medien Fotografie, Zeichnung / Aquarell, Skulptur / Mixed Media umfassen, obwohl die drei Künstler verschiedene Blicke und Konzepte verfolgen, lässt sich dabei ein gemeinsamer Fluchtpunkt entdecken: das Architektonische.

Gian Paolo Minelli, Niklaus Wenger

7. Gian-Paolo Minelli (*1968, lebt in Buenos Aires) fokussiert seinen Blick auf Phänomene, die meist in den Vorstädten, in verlassenen Fabrikationshallen oder in Hinterhöfen zu finden sind. Es gilt dabei, den Reiz des Zufalls und des Zerfalls zu entdecken. Das ist die ästhetische Seite, durch die der Fotograf skulpturale oder geometrische Formen aufdeckt. Aber indem er hart an der Sache ist, wird das nicht zur Ästhetisierung. Das Ästhetische ist so nur ein Moment, dann rückt wieder die harte soziale Realität ins Blickfeld, die sich in der architektonischen Erscheinung oder in der Nicht-Architektur manifestiert.

8. Thomas Hauri (*1974, lebte in Warschau und arbeitet heute in Basel) schafft mit Zeichnung, Aquarell, Fotografie und Collage Räume, die es so in der Wirklichkeit nicht gibt, die es aber, hätte man den Blick dafür, in Hinterhöfen oder in unterirdischen Labyrinthen vielleicht geben könnte. Häufig sind es – im Widerspruch zur genauen Konstruktion, die dieses Werk auszeichnet – unergründliche Räume, manche kippen geradezu ins Unheimliche und lassen dann an die «Carceri» von Piranesi denken. Menschen sind keine vorhanden. Die Welt ist in Grau- und Schwarztöne getaucht. Alles ist nur Konstruktion. Diese bewirkt, dass der Blick in die Tiefe des Blattes hineingezogen wird, dann aber, weil der Halt fehlt, auch wieder auf die Blattoberfläche zurückkehrt. Die Konstruktion kann dann wiederum kippen – die Konstruktion gewinnt als solche ihren Reiz: als Widerhall der konstruktiven und der konkreten Kunst.

9. Niklaus Wenger (*1978, lebt in Bern) arbeitet in seinen Objekten, Skulpturen und Installationen immer wieder mit einem Als-Ob. Der Schatten eines zackigen Objektes etwa wird rund. Die Bretter die er an die Wand stellt, sehen aus, als ob sie aus Holz wären, in Realität sind sie aus Beton und wirken zugleich so, als ob sie Malerei wären. In einer «Betonschüttung» weiss man nicht, ob das der Beginn eines Aufbaus ist oder die Zerstörung des Aufbaus – darin zeigt sich eine Verwandtschaft mit Minellis Fotografien. Andere Objekte sehen aus, als ob sie nun doch einen Nutzen hätten, gleich für den Abtransport einer Maschine dastünden – und dann sind es doch nur raffiniert ineinander verschachtelte Räume, in denen Aussen und Innen in ein Wechselspiel treten. Dabei setzt das Starre, das Kennzeichen dieses Werks sein muss, den Blick in Bewegung – und man weiss nie genau, woran man ist: wie die eigentliche Beschaffenheit des Materials nun ist oder ob man nicht doch ein Architekturmodell vor sich hat.

Künstler

  • Thomas Hauri
  • Gian Paolo Minelli
  • Niklaus Wenger

Kurator

  • Massimiliano Madonna

Autor

  • Konrad Tobler